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Zeitgeist hat sich erledigt

 

Februar 2024  ⁄  687 Wörter  ⁄  Bild © Pexels Boom

In einer sich ständig verändernden Welt stellt sich die Frage: Hat der Begriff "Zeitgeist" ausgedient? Ein Blick auf die Überbeanspruchung eines Begriffs, der vielleicht längst in den Ruhestand gehen sollte.

Der Begriff "Zeitgeist" hat eine lange Geschichte und war lange Zeit ein nützliches Instrument, um die charakteristischen Denkweisen, Ideale und kulturellen Strömungen einer bestimmten Epoche zu beschreiben. Der Begriff "Zeitgeist" hat auch unverändert Eingang in die englische Sprache gefunden. Eine adäquate Übersetzung wäre z.B. "spirit of the time" oder "general trend". In unserer heutigen schnelllebigen und stark individualisierten Gesellschaft scheint dieser Begriff jedoch zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Aber ist der Begriff überhaupt noch hilfreich?

Heute wird "Zeitgeist" nicht mehr für Epochen, sondern für schnell wechselnde Modeerscheinungen verwendet. Im Vordergrund steht die Abgrenzung zum Früher, Alten und Gestrigen. Der Zeitgeist, der sich im Lebensstil und Lebensgefühl durch Wortschatz, Musik, Umgangsformen, Kleidung, Frisur, Ideologie usw. ausdrückt, ist letztlich Ausdruck der Jugendkultur in einer Konsum- und Wohlstandsgesellschaft. Er dient der Abgrenzung und dem Distinktionsbedürfnis gegenüber der älteren Generation. 

In der Markenbildung wird der Begriff gerne eingesetzt, um zu demonstrieren, dass man den aktuellen Trend kennt, ihm folgt und alle Aktivitäten den gegenwärtigen Lebensstil widerspiegeln. Dadurch wird Modernität und Aktualität suggeriert. Der Begriff "Zeitgeist" ist in der Tat sehr eingängig und leicht verständlich und klingt besser als "zeitgemäß", “trendy” oder "modern". Allerdings muss hinterfragt werden, inwiefern der Begriff selbst zum Trend werden kann, für alles und jeden herhalten muss, sich dabei abnutzt und schnell altert. Denn letztlich verhält es sich wie bei jedem anderen Trend: Irgendwann kann man ihn nicht mehr ertragen und die Zeit wie auch der Geist gehen darüber hinweg.

Und wirklich: "Zeitgeist" - dieses Wort hat sich in den letzten Jahren in unseren Köpfen festgesetzt wie ein hartnäckiger Kaugummi unter dem Schuh. Es scheint, als könne man keine Diskussion führen, keinen Artikel lesen, keinen Kaffee trinken, ohne dass jemand diese abgegriffene Vokabel in die Runde wirft. Doch ich frage mich: Ist der Zeitgeist wirklich so unentbehrlich, wie es uns scheint, oder sollten wir diesen überstrapazierten Begriff endlich in Rente schicken?

Zweifellos hat der Zeitgeist seinen Platz in der kulturellen Diskussion. Schließlich versucht er, die Atmosphäre, die Stimmung und die Trends einer bestimmten Epoche einzufangen. Aber leben wir nicht inzwischen in einer Zeit, in der dieser Begriff mehr Klischees hervorruft als eine Seifenoper am Nachmittag?

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Zeitgeist ein Chamäleon ist. Er wechselt seine Farben so schnell wie die neuesten Modetrends. Was gestern noch "in" war, ist heute so veraltet wie ein Walkman. In unserer schnelllebigen Welt, in der sich Trends über Social Media und virale Videos schneller verbreiten als Grippeviren in der überfüllten U-Bahn, scheint der Zeitgeist kaum mit der Zeit zu gehen.

Aber vielleicht ist das genau der Punkt. Vielleicht ist der Zeitgeist einfach Opfer seiner eigenen Popularität geworden. Der Begriff wird so oft und in so vielen Zusammenhängen verwendet, dass er seine Bedeutung verliert. Er wird zu einem inhaltsleeren Modewort, das mehr Augenrollen als echtes Interesse hervorruft.

Denn es herrschen Vielfalt statt Einheit: Früher waren gesellschaftliche Entwicklungen oft langsamer und homogener. Es gab oft einen dominanten Zeitgeist, der die Kultur und das Denken einer ganzen Generation prägte. Heute ist die Welt vielfältiger und fragmentiert. Soziale Medien und globale Vernetzung führen dazu, dass zahlreiche Trends gleichzeitig existieren und sich schnell wandeln. Es gibt nicht mehr den Zeitgeist, sondern unzählige Mikro-Zeitgeister, die nebeneinander bestehen.

Vielleicht sollten wir uns von diesem müden Begriff verabschieden und uns auf präzisere Begriffe konzentrieren, um die Nuancen und Facetten unserer Zeit zu erfassen. Statt vom Zeitgeist zu sprechen, könnten wir konkreter von gesellschaftlichen Veränderungen, kulturellen Trends und politischen Entwicklungen sprechen. Vielleicht wäre es sogar befreiend, uns von der Last zu befreien, ständig versuchen zu müssen, den flüchtigen Zeitgeist einzufangen.

In einer Welt, die von Innovation und Wandel geprägt ist, sollten auch unsere Worte und Begriffe nicht stagnieren. Es ist an der Zeit, sich vom Zeitgeist zu verabschieden und Platz zu machen für frische, präzisere Formulierungen. Es ist an der Zeit, unser Wortschatz entwickelt sich mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Welt um uns herum. //rb

www.dictionary.com/e/word-of-the-day/zeitgeist-2021-07-13/

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